Finanzplanungs- und Treuhand-News

17.1.2022

Zahl des Monats: +0,066

Seit mehr als drei Jahren liegt die Rendite der zehnjährigen Obligationen der Eidgenossenschaft erstmals wieder im Positiven. Der Zinssatz der Schweizerischen Nationalbank notierte am vergangenen Montag bei +0,066 Prozent. Er errechnet sich aus der Durchschnittsrendite für zehnjährige Bundesanleihen.

Auch die zehnjährige Benchmarkanleihe der Eidgenossenschaft rentiert knapp im Plus. Die Renditen der kürzeren Laufzeiten sind aber zum Teil noch deutlich im Minus. Ob die Phase negativer Zinsen also bald ganz zu Ende geht, muss sich erst noch weisen. Einiges spricht dafür: Die negativen Zinsen sind ein Ausdruck der Krisen, die in den vergangenen Jahren immer wieder aufgetreten sind. Auf die Finanzkrise 2008 folgten die Eurokrise, der Handelskrieg der USA mit China. Und zuletzt nun die nicht enden wollende Corona-Pandemie.

Verantwortlich für den Renditeanstieg sind die weltweit steigende Inflation und das bevorstehende Ende der ultralockeren Geldpolitik wichtiger Zentralbanken. Den Weg dafür geebnet hat die US-Notenbank Fed. Denn die Währungshüter der einflussreichsten Notenbank wollen die Inflation wieder in den Griff bekommen. Sie erreichte im Dezember mit sieben Prozent den höchsten Stand seit 1982. Aus der Corona-Krise resultierende Lieferprobleme, Materialengpässe und geradezu explodierende Energiekosten treiben die Inflation nach oben. Die US-Notenbank wird die Leitzinsen in diesem Jahr womöglich viermal anheben und spätestens im Juli mit dem Abbau ihrer Bilanz beginnen. Diese Einschätzung kommt von der US-Investmentbank Goldman Sachs. 

«Die raschen Fortschritte auf dem US-Arbeitsmarkt und die Signale in den Fed-Protokollen vom 14. und 15. Dezember deuteten auf eine schnellere Normalisierung hin», schreibt Jan Hatzius von Goldman Sachs in einer Research Note. «Wir ziehen daher unsere Prognose von Dezember auf Juli vor», so Hatzius. «Da die Inflation zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich immer noch weit über dem Zielwert liegen wird, glauben wir nicht mehr, dass der Beginn der Reduzierung der Bilanzsumme eine vierteljährliche Zinserhöhung ersetzen wird. Wir gehen weiterhin von Zinserhöhungen im März, Juni und September aus und haben nun eine Erhöhung im Dezember hinzugefügt.» Wie die US-Notenbank in Zukunft mit steigenden Preisen und der Inflation im Detail umgehen wird, bleibt vorerst noch eine offene Frage. Eines ist jedoch sicher: die Aktien-, Zins- und Rohstoffmärkte werden auf jeden Fall reagieren.

Wie wirkt sich die Zinserhöhung auf Hypotheken aus?

Bauzinsen werden sich verteuern. Aktuell steigt der Hypothekarzins bereits und der Trend dürfte sich fortsetzen. So mussten beispielsweise für Festhypotheken mit einer Laufzeit von fünf Jahren am 1. Januar 2021 noch Zinsen in Höhe von 0,95 Prozent gezahlt werden. Am Ende des Jahres lag der Richtzins gemäss einer aktuellen Studie des Online-Vergleichsdienstes Moneyland vom Mittwoch bereits bei 1,01 Prozent. Deutlicher fiel der Anstieg bei den längeren Laufzeiten aus. So kosteten zehn- und fünfzehnjährige Festhypotheken am Anfang des letzten Jahres noch 1,10 beziehungsweise 1,29 Prozent. Ende 2021 mussten Kreditnehmer:innen dafür bereits 1,25 bzw. 1,51 Prozent an Zinsen aufwenden. Signifikant höhere Zinsen sind für 2022 eher unwahrscheinlich, dennoch sollten Hypothekarnehmer:innen die Schwankungen am Markt nutzen, um den richtigen Zeitpunkt für den Abschluss von Hypothekarverträgen zu erwischen und ggfs. Hypotheken vorzeitig verlängern, um sich das aktuell immer noch sehr niedrige Zinsniveau nachhaltig zu sichern.

Haben Zinserhöhungen und Inflation einen Einfluss auf Ihre Altersvorsorge?

Nach der Trendwende in der US-Geldpolitik erwarten immer mehr Volkswirt:innen, dass die Inflation und Zinsen auch in der Schweiz und im Euro-Raum steigen. Welche Folgen hat dies für die Entwicklung von sich Aktien, Anleihen, Rohstoffen und Immobilien? Crashpropheten, wie der Ökonomie-Nobelpreisträger Robert Shiller prognostizieren derzeit einen Börseneinbruch zwischen einem Drittel und 50 Prozent. In einem aktuellen Interview mit dem Handelsblatt führt Shiller neben der spekulativen Überbewertung der Aktienmärkte, die Bedrohung durch eine Inflation wie in «Kriegszeiten» auch den «epischen Systemkampf» China-USA als Gründe für einen baldige Eruption der Aktienmärkte an.

Einige Analyst:innen positionieren sich aber derzeit frei nach dem Motto «Der Bullenmarkt ist erst vorbei, wenn er vorbei ist» positiv für die Aktienmärkte. «Die Anleger:innen werden weiter Aktien kaufen, solange es keine Alternative zu dieser Anlageform gibt.», so formuliert JP Morgan in seinen soeben veröffentlichten «Zehn Thesen für die Zukunft der Kapitalmärkte» eher eine positive Sicht. Die höhere Inflation sei gewollt und erst wenn die Rendite der zehnjährigen US-Anleihe, die zurzeit bei knapp 1,8 Prozent liegt, die 2,5 Prozent übersteigt, werden «Aktienanleger:innen sie zur Kenntnis nehmen». Zwar würden die Realrenditen sinken, die Märkte aber weiter stabil bleiben.

Viele Expert:innen sehen zwar ein kurzfristiges Rückschlags-Risiko für die Aktienmärkte bis zu einem Drittel, gehen aber von einer schnellen Erholung aus. Lediglich von einem Investment in Staatsanleihen entwickelter Länder wird unisono abgeraten.

Zu Auswirkungen von Zinswende und Inflationsangst auf den Goldpreis äusserten sich in einer Studie letzte Woche die Analysten des World Gold Council (WGC). Laut Juan Carlos Artigas, dem Leiter der Analyseabteilung des Councils, hängen «die Aussichten für Gold im Jahr 2022 (…) davon ab, welche Entwicklungen fortan den Ausschlag geben werden. Während Faktoren wie die anhaltende Inflation und die Schmucknachfrage wahrscheinlich unterstützend wirken werden, könnten steigende Zinsen für Gegenwind sorgen.» Unterm Strich rechnet das WGC mit Preiszuwächsen und einer nachhaltig stabilen positiven Preisentwicklung. Robert Hartmann vom Edelmetall-Handelshaus Pro Aurum erwartet als Goldexperte, dass Gold als klassischer Inflationsschutz bei Negativzinsen und eher einbruchgefährdeten Aktienmärkten bereits in 2022 «das Top vom August letzten Jahres bei über 2000 Dollar je Feinunze erreichen» wird.

Was heisst dies nun für die private Altersvorsorge? Wie immer gilt es, den eigenen Zeithorizont im Auge zu behalten. Wer noch viele Jahre bis zur Pensionierung sparen muss, sollte die aktuelle Lage nicht dramatisch sehen und die eigene Vorsorge-Strategie unter Beachtung einer ausgewogenen Balance von Risiko und Rendite beibehalten. Bei ratierlichem Sparen in Aktien, Fonds, ETFs oder festverzinslichen Wertpapieren profitiert man bei Markteinbrüchen langfristig von günstigeren Einkaufspreisen (Cost Average Effekt).

Wer Risiken scheut, hohe Bestände an risikobehafteteren Vermögensanlagen sein Eigen nennt oder nur noch wenige Jahre bis zur Pensionierung hat, sollte seine Diversifikation sicherheitshalber überdenken.